Werke & Tage

Freitag, 11. Juli 2008

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Aus unruhigen Träumen (ein Auto, ein fremdes Land, Gefahr von Anschlägen, von Kugelhagel) erwacht zu unbestimmtem Unwohlsein. War es Übelkeit? Atemnot? Eine Art von Beklemmung, als hätte ich abgestorbene Luft geatmet. Das Zimmer, das Fenster, die Nacht totenstill, warm, unbeweglich.
Ich riß das Fenster ganz auf, atmete mehrmals tief durch, reckte mich und legte mich vorsichtig wieder hin. Ein Weilchen blieb ich noch wach, prüfend, ob die Übelkeit wiederkäme, schlief dann aber schnell wieder ein.
Später ein weiterer Traum. Nicht daß ich je solche Träume gehabt hätte, als ich wirklich eine Abschlußarbeit schrieb. Träume, in denen ich am Tage einer Premiere nicht eine einzige Zeile Text konnte, hab ich auch immer erst Jahre nach der Aufführung geträumt. –
Wann denn der Termin für die Anmeldung sei? frage ich im Traum einen Kommilitonen.
Ach, da könne man immer vorbeigehen, das ganze Jahr durch.
Nein, nein, wann denn die Frist sei?
Im April sei das gewesen für den Wintertermin; das paßt mir gar nicht. Ich überlege. Dann muß ich den Sommertermin nehmen. Das heißt, es wird April, Mai 2009. So lange noch!
Ich tröste mich mit dem Gedanken, daß ich ja, angemeldet oder nicht, schon einmal anfangen könnte zu schreiben, da ist der Traum zuende und ich erwache.



Mittwoch, 9. Juli 2008

Wirst du groß sein, wenn es fertig ist?

Nein. Ich werde nicht groß werden, egal wieviele bücher ich nicht mehr schreibe.

Sonntag, 15. Juni 2008

Wahrscheinliches Szenario


Ich werde eine alte Ratte.


Erhofftes Szenario


Ich werde eine weise Spinne.



Freitag, 16. Mai 2008

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Was mich noch an die Grenze zum Wahnsinn befördert: Die Kraft der Dinge, Wiederzukehren, ihre zyklische Gewalt und Eigengesetzlichkeit. Da waren wir doch schon, sagt mir mein Spiegelbild, und haben wir zwei nicht schon einmal gelitten wie ein Hund, und haben wir es nicht schon einmal von neuem nicht glauben wollen, und hat es uns nicht schon einmal nichts und abernichts genützt, daß wir’s schon vorher wußten? Sagt mein Spiegelbild und grinst schief. Was willst du? Es so lange drauf anlegen, bis dir deine Lächerlichkeit von außen ins Gesicht geschrieen wird? Daß du es endlich glaubst?
Gib’s auf, gib’s auf! ruft er mir zu, und auch das hatten wir schon einmal.

Mittwoch, 14. Mai 2008

Und das Mädchen

Sie sitzt mit dem Rücken zum Fenster und blickt in einer Art ruhiger Aufmerksamkeit in den Raum, vielleicht auf die Landschaft, die vor der gegenüberliegenden Fensterreihe wahrscheinlich vorbeigleitet. Auf ihrer großen, seitlich den Blick auf die Nase versperrenden Brille mit Kunststoffgestell gleiten jedenfalls schwache Bilder. Ihr Gesicht sieht aus wie das von Leuten, die mit dem Zucken des Nasenflügels ihre Brille hochschieben können. Hinter der von Kinn, Hals und Schulter gebildeten Bucht schwebt eine Haarsträhne, vom Licht, das durch die Scheiben flackert, mild durchleuchtet, und im Maße ich sie beobachte, die einwärts gerichteten Fußspitzen, die linke Hand über der kurzfingrigen Blässe der rechten, die kleine Uhr mit Lederband: überkommt mich plötzlich eine große Traurigkeit, lähmend und auswegslos, darüber, daß ich sie so ansehe, so genau, so kühl, eine Wehmut darüber, daß ich sie studiere und abmustere und mir alles merke, alles: Je länger dieser Blick dauert (ein gieriger, wenngleich nervöser Blick, der sich nach Ruhe sehnt), desto stärker wird die schmerzende Gewißheit, am falschen Ort zu sein, oder anders, nicht am falschen, sondern am furchtbar richtigen, das Gefühl, zu groß für diesen Raum zu sein, zu atmend:
Sie sitzt, als warte sie auf ein Du, in einem Kreis aus Licht oder Dunkelheit, das ist nicht so genau festzustellen für meine Dämmeraugen. Der Reifen ihres aufgebockten Fahrrads dreht sich und dreht sich und dreht einen blitzenden Speichenwirbel durch den Fahrgastraum, daß es klingt wie die scheußliche Stille nach einem Sturz, einem letzten Schrei. Das Mädchen blickt über mich hin, streift mich, ohne mich zu sehen, läßt den Blick wieder forttrudeln nach draußen, wo die Landschaft immer weiterzieht. Sie trägt eine sehr enge, tiefausgeschnittene, olivfarbene Bluse, deren Ärmel ganz kurz sind, kaum über die Schulter reichen und den Arm achselknapp umschließen, den milchweißen, matten, glatten Arm; spielerisch sieht das aus, wie geprobt, wie von einem Kind getragen. Geprobt und wie mal so eben ausprobiert sehen ihre Brüste aus, als hätte sie sich noch nie mit ihnen beschäftigt. Der Stoff der Bluse ist bedruckt mit großen Blatt- und Blütenformen in rosa und türkis und blaßorange, wie ein Märchenwald, ein Zaubergarten. Eine große aufgefächerte Nelke blüht genau auf der linken Brust, als sei dieser Stoff und die Blume ihre eigentliche Haut, wie eine natürliche Effloreszenz der Drüse selbst, oder aber eine Botschaft: Geh vorüber, rühre mich nicht an!

Freitag, 25. April 2008

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Die Sache ist die, ich weiß einfach nicht, was das alles zu bedeuten hat.
Ich weiß nicht einmal, welche Fragen ich stellen müßte.

unerreichbar

im frühjahr falle ich stets aufs neue aus den büchern und den geschichten. vielleicht sind es die gemeißelten helligkeiten, vielleicht der klang. in dieser wie angestoßen, glockendröhnenden welt (eine welt des beginns) sind die möglichkeiten derart wirklich, daß ihr gegenstand völlig unmöglich wird. wovon man vor einer stunde noch zu träumen imstande war, jetzt ist es so unausweichlich da, daß die entfernung, der lebensabgrund von den eigenen fingerspitzen dorthin, unüberbrückbar geworden ist
die janusköpfigkeit der schönheit – aller schönheit – die zugleich hier ist und im augenblick des schauens und schauerns bereits nicht mehr – nie – erreicht werden kann, ein beständig sich erneuerndes hoffen-getäuscht-werden. selbst wenn ich das erreichte, wovon ich glaube, daß es der gegenstand des sehnens ist – so wäre es in diesem augenblick schon nicht mehr das ersehnte, bei allem gewährten glück nicht.

Donnerstag, 27. März 2008

Nochmal Wut

Wieder die Wut. Bei Schneetreiben (die Flocken erst hart und trocken von Gemütz und Gejack springend, später naßklatschig und durchaus ekelhaft überall anhaftend) und viel Wind, der kurioserweise an jedem beliebigen Punkt meines Rundweges von vorn kam, eine Stunde lang durch den Wald gelaufen, immer mal wieder brüllend vor Zorn und, wenn’s mit dem Geflock gar zu arg wurde, mit fuchtelnden, quixotesquen Abwehrbewegungen des Armes und der Hände dahinstolpernd.
Wer da behauptet, der Ausdauerdisport sei gut für die Psychohygiene, weiß einfach nicht, wovon er redet.

Montag, 17. März 2008

...

Deutlicher als jemals bin ich heute abend der Überzeugung, daß mein äußerlich so geruhsam-normales Leben eine nur mit äußerster Anstrengung aufrechterhaltene Routine ist. Eine kleine Störung, eine winzige Änderung der Balance, eine minimale Anforderung mehr, etwas Unvorhergesehenes ‒ und aus ist es mit dem Gleichgewicht.
Hatte gerade den wohl schlimmsten Wutanfalls meines Lebens.
Stocherte zuerst mißmutig im Blech herum, merkte, das funktioniert so nicht, und dann war es auch schon passiert. Krallte plötzlich meine Finger in das Gebrösel der mißlungenen Muffins, quetschte es zu Brei, warf es durch die Küche, ließ das Messer hinterherfliegen, donnerte Türen zu, heulte tobte schrie, schlug mit der Faust gegen die Wände, warf Schuhe durchs Zimmer, schlug die letzte noch offene Tür zu, daß der Schlüssel herausklirrte, und vergrub dann endlich mein Gesicht im Kissen und brüllte und schluchzte, die Fäuste ins den Stoff gekrampft, die Tritte in die Luft gegen den imaginären Feind von Mal zu mal schwächer.
Ich kann nur froh sein, daß nichts wirklich Wichtiges zu Bruch gegangen ist. Ich vermute, es ging dabei nicht um die mißlungenen Muffins. Aber worum ging es?
Müde jetzt. Ich geh dann mal schlafen. Gute nacht.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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