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sich nicht erkundigen, die eltern nicht nach ihrem befinden fragen, auf die tabletten starren und die müden körper und rasch wieder wegsehen, still bleiben und bei sich selbst, und die frage nach ihrem glück in sich verstummen lassen, weil man keine entgegnung auf die antwort der glücklosigkeit hätte, keine antwort auf ihre ängste –
denke ich und dann, ihre hände ineinander verschränkt auf der bank wie bei verliebten, und ich staune, und so etwas habe ich bei den zweien noch nie gesehen.
es ist nicht die frage was als nächstes kommt.
ein kulgelschreiber malt zähe linien auf ein blatt papier. darunter erstirbt ein trockenes gekritzel. innen hallt es lateinisch wieder. draußen steht das telephon, wie eine verschwörung sämtlicher ungenutzter möglichkeiten, ein schlechtes gewissen, eine allegorische statue.
allegorien mag ich nicht. allegorien sind aufdringlich, besserwisserisch, sie schreiben immer ein bißchen vor, wie man zu denken habe. allegorien sind ein-zu-eins. wenn man den anfang hat, hat man alles, die fäden sind endlich, ich aber liebe das offene und ausfransende, ausufernde, auswegende, liebe das stets deutbar bleibende, das schillernde eins-zu-vielen. auch alles, was sich entzieht. wer berührt Hajime am ende an der schulter? welche von beiden, das zimmermädchen oder die transsexuelle, ist noch am leben? gibt es noch ein gespräch mit Midori? für viele sind das unerträglich offene fragen (sie sind nicht beantwortbar, da sie nach und also außerhalb der geschichte liegen), für mich nicht. ich mag es, aber nicht deshalb, weil es zum weiterspinnen auffordert, nicht deshalb, weil es noch etwas zu tun gibt, nicht deshalb, weil man sich eine antwort für die fragen ausdenken kann, nein: einfach, weil die letzte antwort stumm bleibt. nie hab ich es leiden können, wenn in einem schulbuch die aufgabe gestellt wurde: wie könnte die geschichte weitergehen? sie geht nicht weiter, sie ist zuende erzählt. punkt. was jetzt noch bleibt, ist nur im leser, nicht in einem ohnehin nur hypothetischen weiter. die geschichte und also das, was erzählt werden soll, sind hier und genau hier zuende. der rest ist die stille des danach.
eine stille, die alles, was man zuvor gelesen hat, empfängt und aufnimmt und in kreuzweisen bögen widerspiegelt.
spiegel sind besonders schön in der literatur. ich mag spiegel, in wirklichkeit wie in büchern. man kann alles mit ihnen machen. sie sind überall, pupillen, wassertropfen, autolack, schaufensterscheiben, überhaupt fenster, wasserflächen, klar, weingläser mit und ohne wein, erloschene monitore, uhrgläser, löffel, ein aufgeschlagenes ei, früher einmal telephonhörer, öl, chromgegenstände aller art. die spiegelung kann exakt sein oder das gespiegelte geheimnisvoll verändern, etwas subtrahieren oder hinzufügen, verzerren, verbiegen, verfärben. verunklaren, mit geheimnissen umwittern, oder bloßstellen, hervorheben, betonen. etwas aussehen-lassen-wie. aussehen-lassen-als-ob. spiegel sind manchmal masken.
masken gibt es bei mir nicht im zimmer. jetzt spüre ich ihr fehlen. ich brauche eine maske. nicht für mein eigenes gesicht oder ein fremdes, nein: ich brauche eine maske mit nichts darunter, damit ich mir ein gesicht dahinterdenken kann. jedes nur mögliche gesicht, und wie es wirkt, unsichtbar hinter der maske.
und wie sich die maske selbst verändert durch das gesicht, das sie verbirgt. oder mehrere gesichter, die sich hinter der maske drängen, herauswollen, gegeneinander und gegen die maske streiten, von der maske in schach gehalten werden: ein schweigender lärm, an meiner zimmerwand.
aber das bringt mich nicht weiter. der kugelschreiber ist zerbrochen, das telephon hat zweimal geklingelt, die versammlung ist flüsternd auseinandergestoben. jetzt kommen sie alle zurück zu mir. in den flur mit den kisten von aussortiertem. ich will loswerden, wegwerfen, verschenken. zurückgeben, endlich, den geruchlos gewordenen bademantel, der alles, was er von dir einmal angenommen hatte, ausgeatmet hat. ein lebloses hemd. meine alten schulhefte. bücher. in bonn gibt es auf der poppelsdorfer allee, ziemlich weit unten, am bahnhof, einen bücherschrank unter freiem himmel. da kann, wer will, bücher hineinstellen und herausnehmen, wer will. da kommen die bücher hin, die ich loswerden will. neulich habe ich mal wieder eines mitgenommen, ein glücksgriff, „Robinson“, eine erzählung von einer niederländischen schriftstellerin, die hier keiner kennt. jetzt längst vergriffen, zu unrecht.
zeit für einen kaffee. zuletzt losgeworden bin ich fünf bildbände über fabelwesen, hexen, magier, kobolde und entrückte länder, gekauft als teenager, nie richtig hineingesehen, was wollen die noch in meinem regal. dazu noch „Die letzten Abenteuer dieser Erde“, mit einem jugendlich-vollbärtigen Reinhold Messner auf dem umschlag, Jacques-Yves Cousteau aus einem u-boot herausblinzelnd, eine straße, ein berg, ein ozean. weg damit. helden einer versunkenen zeit. es hat etwas tieftrauriges, wie das schwindet. bezüge schwinden. ich habe dann jedesmal das gefühl, selbst nicht mehr aufgehoben zu sein in der welt. andererseits, was war das schon für eine welt, als es noch neun planeten gab und dallidalli und wadenwärmer, die heutzutage, wo sie keiner mehr haben will, sicher immer noch genauso funktional wären wie damals.
sage mir was für bücher du weggibst und ich sage dir wer du bist. ich hasse phrasen, weswegen ich diesen satz ohne kommata (früher sagte man auf griechisch kommata, heute kommas, aber ich kann nicht einsehen, warum ich das mitmachen sollte, ich sage auch mobiltelephon und niemals h--, weil das ein unwort ist, ein wort, das aussehen soll wie, das klingen soll wie, ohne es zu sein), ohne kommata also, schreibe. ich hätte auch alles mit bindestrichen schreiben können, aber dann sagt der editor, ich spinne.
editoren aber, bloße deterministische realisation vorhergesehener abläufe, die sie sind, sollten ihre klappe halten.
ich weiß ohnehin am besten, wer ich bin, weshalb ich mich auch strikt gegen jede form von psychoanalyse wehre, deren erklärungswille und -anspruch ich immer als anmaßung empfunden habe. auch in büchern. jedenfalls aber konnte ich mich nur schwer von der Tlingonischgrammatik trennen (was wohl ein Psychologe dazu zu sagen hätte?); schwer gefallen ist mir auch „Die Entdeckung des Himmels“, andererseits auch wieder nicht, weil ich es einer zeit las, an die ich mich am liebsten nicht mehr erinnere.
so geht es ja überhaupt mit büchern, daß sie mit einer zeit des eigenen lebens verbunden sind, und die frage ist, ob es überhaupt eine neutrale lektüre geben kann, eine objektive lektüre, oder ob sich nicht in die wahrnehmung der geschriebenen und gelesenen welt die tatsachen, gefühle, meinungen, stimmungen der gelebten welt einmischen und ungebeten mitwirken. bereichernd kann das für beide welten sein oder störend, hindernd, mißtönlich vom einen ins andere hineinschallend, sich vordrängend, so daß man hinterher gar nicht mehr weiß, warum man nun so mißgestimmt ist, des buches wegen, oder weil die welt einem wieder mal auf der nase herumtanzt.
natürlich ist auch der weg denkbar, daß das eigene leben literatur wird. manchmal handele ich so, wie es mir für eine geschichte stimmig vorkommt, eine seltsame form von aberglaube, ich bekomme von einer frau ihre telephonnummer, frage mich einen halben tag lang, ob ich sie am abend anrufen soll, verliere in einer warteschlange den zettel, höre, wie mir jemand hinterherruft, sie haben da was verloren, und beschließe, ich rufe an. und am ende mache ich es doch nicht. ich will dem keine macht über meine entscheidungen einräumen. könnte ich aber. weil es stimmig wäre. oder ich nehme einen bestimmten weg, weil er in einem roman, der mein leben abbilden würde, szenisch passend wäre. ähnlich die auswahl des nächsten buchs. oder ob ich ins kino gehe oder lieber einen spaziergang zum grab jennifer helds mache. bestimmte orte bekommen eine symbolische dimension, sind aufgeladen mit bedeutung, werden zu einer art text, der bestimmt, was als nächstes passieren kann und was nicht, der festlegt, an welchem punkt meiner lebensgeschichte, in welcher geistesverfassung oder auch an welchem punkt meiner eigenen entwicklung ich mich befinde; ein text, der kreisläufe und wiederholungen ebenso anzeigt wie fortschritte und entwicklungen, oder manchmal auch geschehnisse und begegnungen auf eine bestimmte weise einfärbt, klassifiziert oder prismatisch aufbricht, indem er ihnen einen bestimmten modus, eine bedeutung, einen zweck, eine aussageform zuweist oder abspricht und damit ihre deutungsmöglichkeiten, ihre interpretatorischen spielräume, festlegt oder verunklart, einengt oder ausweitet. oder ich verwebe durch gezieltes hören und wiederhören ein musikstück leitmotovisch in den ablauf meiner tage und absichten. lasse es abfärben auf bestimmte vorbereitungen, ein treffen, eine wanderung, ein gespräch, einen abschied. das kann soweit gehen, daß ich dann umgekehrt von der welt erwarte, sie möge ihrerseits von literarischen kräften beherrscht sein und, indem sie meinem motivischen handeln literarisch entspricht, wahrmachen und eintreten lassen, was ich mit meinem motivischen handeln vorausweisend vorweggenommen wissen will. wer denkt, das sei nur ein literarisch-intellektuell verbrämter schamanismus, hat so unrecht nicht.
merkwürdig ist, daß sowohl die zeit, die die Tlingonischgrammatik, als auch die zeit, die die „Entdeckung des Himmels“ umgibt, schwere zeiten waren, weil sie mit der trennung von einer freundin zu tun hatten. wie eigentlich alle schwere zeiten immer in derselben weise schwere zeiten waren. es hatte immer mit einer frau zu tun. größere nöte habe ich nie gekannt. ob das daran liegt, daß ich viel glück hatte im leben oder daran, daß mir anderes unglück nie als so bedeutsam erschien, weiß ich nicht. wahrscheinlich ersteres. andere bücher, an denen schwere zeit haften geblieben ist, sind: „Morbus Kitahara“, „Die Tage müssen anders werden, die Nächte auch“, „Sommerhaus, später“, „Marie Antoinette“, dies nur exemplarisch.
und die frage ist: was werde ich als nächstes weggeben? und die frage ist: was werde ich dereinst zuletzt weggeben haben, als wäre es ein teil meines lebens, der überflüssig geworden ist und unbequem.
draußen immer noch das telephon.
Was wollten wir?
Frei sein, uns anpassen, Erfolg haben, Geld haben, eigene Wege gehen, unabhängig sein, stolz sein, es recht machen, davonkommen, ein Leben haben. Was sonst. Blöde Frage. Was sonst, war es je anders? Waren wir etwas besonderes, nur weil wir die ersten waren, die das Netz kennen sollten und die Zeit nach dem Netz ebenso wie die Zeit davor erfahren hätten? Daß wir fortan, heimgekehrt in die Alltäglichkeit und unsere alten Leben, mobil würden telephonieren können, ja müssen? Daß es fortan in dem Land, das wir verlassen hatten, verlassen zu haben glaubten, vielmehr, ein Unwort wie Handy gab? War es das, was uns ausmachte? Daß wir Händie sagten? Daß wir zurückkehrten in eine Welt der Achselrasur und der sogenannten Globalisierung, die man uns vormachte wie so vieles? Daß es nun „EU“ und nicht mehr, wie in der Welt, die wir verlassen hatten, aus der wir kurzzeitig ausgetretene waren, „EG“? Daß wir in vielerlei Hinsicht die letzten Unschuldigen waren? Daß wir die ersten (und letzten) waren, die profitierten von dem, was unsere Eltern in Kommunen, Straßenschlachten, Universitätsaulen, in fremden Betten, mit dem Mund zwischen fremden Beinen, Kundgebungen, hinter Flüstertüten und Barrikaden, in Stundenhotels und auf Open-Air-Festivals erkämpft, erstritten, erredet, erdiskutiert, und schließlich auch erfickt hatten (und die dann doch heirateten, Kinder bekamen – uns – und sich eine Reihenhaushälfte zulegten)? Daß wir die Früchte davontrugen als erste und letzte, die wirklich einmal frei gewesen waren, ebenso schwanger wie kinderlos bleiben durften, abtreiben, austragen, nach Schweiß riechen oder Deo benutzen, Beruf, Hausfrau, bärtiger Töpfergesell, Banker, alles drin, die letzten, die sich noch entscheiden durften zwischen BH oder Schwabbeln, zwischen Achselbusch und antiseptischer Glätte, zwischen Holzhütte und danish design, die letzten, die noch eine Wahl hatten, ehe wieder ein neues Diktat sich klammheimlich durch die Hintertür einschlich – das Diktat der sogenannten Freiheit, die längst keine mehr war (wen wundert’s?)? Und das ganze mühelos, ohne Kampf, den ja unsere Eltern ausgefochten hatten … Aber:
Machte uns das aus? War das unsere Generation? Das schon? Waren das wir?
Jetzt, wo ich das schreibe, im Später, an das ich mich in DER STADT fortwährend erinnerte, sind wir schon Historie, haben schon die Jüngeren wie die Älteren den Stab über uns gebrochen, sind wir schon eine Generation, eine Kategorie, beurteilbar und beurteilt, erwägbar und erwogen, kritisiert, verfehmt oder gelobt, jedenfalls seziert, auseinandergenommen, analysiert, bis nichts mehr von uns übrig war, bis nichts mehr blieb als Feuilletonartikel über die „heute 30jährigen“. Geschrieben von Alterslosen, die über jeden Verdacht, sie könnten (auch sie!) einer Generation angehören oder angehört haben, dem Verdacht, auch sie könnten bedingt und Kinder ihrer Zeit sein, wundersam erhaben waren.
Die „heute 30jährigen“ – die plötzlich, ohne, daß uns jemand um unsere hilflose Meinung gefragt hätte, wir waren. Mein Gott, das waren wir selbst! Und wir konnten es nicht einmal leugnen, wir waren ja um die 30. Kein Ausweg. Man brauchte uns nur nach dem Paß zu fragen. Wie auch immer wir uns verhielten, wir steckten in einer verdammten Schublade fest. Nicht auszudenken, was für eine Maske wir plötzlich trugen, eine Maske, die andere heimlich und in aller Stille für uns angefertigt hatten, um sie uns jetzt, wo wir uns nicht mehr wehren konnten (hatte uns jemand gewarnt?), umzuhängen. Und dann mit dem Finger auf uns zu zeigen.
ist ausgeflocktes dunkel wenn du dich räusperst wackelt der mond manchmal flüstert es aus rohren und ein frosch im hals und finger flüstern manchmal auf haut und eine straßenecke sieht zu wie zweimal mantelkragen unter einer straßenlaterne die in ein anderes zimmer dringt wo gesichter einander unsichtbar auf dem harten teppich vorm bett flüsterzeichen geben wo eben hingesunken die leiber püffe und knüffe von okklusiven und vokalen auf wange und lippen und hals unterbrochen von küssen das flüstern bist du „du“ flüstert es, „du“ flüstern und im blinden der geruch deines speichels in kirchen wird oft, in manchen museen, und morgens um fünf im überlandbus vor der abfahrt wenn der motor noch stumm ist und die sitze knarzen knistern heißt flüstern anorganisch, haare können es, wenn alles sehr still ist im zimmer mit straßenlaterne und weizenfelder können es verwandte sind wispern das ins wortlose hineinreicht oder raspeln scharren und rascheln das können auch kleider beim abstreifen flüstern hat keine farbe nur graustufen flüstern ist der schatten der stimme flüstern trocknet schnell ein und verliert den geruch flüstern ist seine eigene beschreibung flüstern wäre durchsichtig, hielte man es ins licht flüstern können auch blätter und tüten vögel können es nicht der regen vielleicht
obwohl mir ratschläge unheimlich sind und es wohl immer bleiben werden, zumindest die konkreten: es geht voran und es geht ganz leicht. ganz leicht! und zwar deshalb, weil ich (fast) alles darf. weil ich es mir endlich erlaubt habe, wenn nicht in der geschichte, so doch in der neuen. dabei überrasche ich mich selbst, in mehrfacher hinsicht. mein anderes ich, das ich der geschichte, das doch auch ich selbst ist/bin, handelt/handele in einer weise, wie ich es ihm/mir nie zugetraut hätte. ich frage mich, was er/ich von sich/mir selbst halten mag …
die begegnung mit der silbernen prostituierten beispielsweise ist so gar nicht typisch für den autor.
Manchmal war alles wild, und man hätte glauben können, der Aufbruch finde schon morgen statt. Die Zeitungen schrieen den Passanten Schlagzeilen ins Gesicht, die Hochglanzmagazine spuckten Buntheiten in die Menge, und das Scharren und Schlurfen und Stöckeln und Stampfen unzähliger Füße schwoll und fiel, brauste und wallte und füllte machtvoll die Straßen.
Aber die blieben ja da. Die schlurften und würden weiter schlurfen in alle wirbelnde Zeit, und die Zeit, ja: Die würde sie packen und fortwirbeln, daß nichts von ihnen bliebe. Die wußten nicht einmal von der Existenz der Stadt, deren Straßen sie in Unkenntnis auslatschten. Blieben da, taub für jeden Ruf, innerlich blind für die Küsten und Gestade, verhaftet wie sie waren einer Stadt, die sie nur duldete, in der sie nicht zu Hause waren. Oder allzusehr heimisch.
So saßen wir an jenen wilden Tagen in der Mensa und peitschten Worte über unsere Köpfe, verliebt in uns selbst, gefesselt ein jeder vom Sog seiner Worte, ein jeder allein mit seiner kleinen Sehnsucht, seiner sehnsuchtsvollen Winzigkeit. Ein Zagen war in uns immer. Aber in den wilden Augenblicken verlangte dieses Zagsein nach einem Gegenbeweis. Sofort und ein für allemal. Wir redeten uns um Kopf und Kragen. Sprachen vom Bleiben und meinten den Aufbruch. Sprachen von Literatur, von Geldverdienen, von Karriere, von wirtschaftlichen Erwägungen, vom Weiterkommen, der Börse, den Aussichten, sprachen von Tabellen, leierten Statistiken herunter, lobten Aussichten, bezweifelten Prognosen.
Sprachen und sprachen und sprachen. Und meinten: Das Leben.
ich kam an,
während der mond aus dem wasser stieg wie ein alter freund. er flimmerte, als sei auch er älter geworden, als hätten ihn die jahre wackelig werden lassen, aber vielleicht fröstelte er auch nur ein wenig, denn die nächtliche brise, die von see kam, roch schon nach herbst. oder fürchtete auch er sich vor dem neuen? ich sah ihm lange in die augen, aber er antwortete nicht. als
das schiff kam,
duckte er sich und verschwand, schüchtern wie er nun einmal ist, in einem zerfledderten
strahlenkranz,
als schäme er sich ein bißchen, daß er sich so lange mit mir beschäftigt hatte. ich nahm es ihm nicht übel. er kommt ja wieder, dachte ich und warf mir die jacke über die dunklen schultern.
eines morgens
war der sommer
vorbei. ich sah es
am luftballon der
in einem weißdorn
hängengeblieben war
am rostigen nagel
der in einem bretterzaun
stak am abgelegten helm eines
arbeiters am butterbrot in seinen
schwieligen händen
bunt wippten die schultaschen über
den weg die zeitung knisterte leise
überm kaffee und von nebenan
drang wieder ein telephongespräch
durch die wand
stundenlang
als wäre man taub
geworden so
fehlten die vögel
Als ich mich noch einmal umwandte, saß er unverändert, das Kinn in der Hand, die grauen Augen zur Erde gerichtet. Das letzte, was ich sah, war, wie er einen Stein aufhob, ihn nachdenklich in der Hand drehte, dagegenblies und ihn dann dem Steinmännchen zufügte. Neben ihm stampfte der Fluß über die Steine. Gedankenverloren wischte er sich einen Spritzer von der Wange. Die Föhren woben ihm wippende Schatten ins Haar.
Kurze Zeit später hörte ich wieder meine Schritte.
Ich verstand nicht, was er mir mit seinem letzten Wort hatte sagen wollen. Vor einem Streif Sonne im Gras blieb ich stehen. Hinter mir lärmte, gedämpft durch den Moränenkamm, der Fluß. Die Föhren rauschten leise. Ich fragte mich, ob ich noch einmal zurückgehen sollte und verwarf es. Er hatte gesagt, was er sagen wollte oder konnte. Käme ich nun zu ihm zurück, er wäre vielleicht gar nicht mehr da, wie er es selbst gerade gesagt hatte von ihr. Er hatte mich nicht angesehen, als er es sagte, er hatte in den Fluß geblickt, wo sein Spiegelbild geduldig in einer Woge hängend stieg und fiel. Doch auch sein Spiegelbild hatte er nicht angesehen. Vielleicht hatte er auch gar nichts gesagt, ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt gesprochen, oder ob nicht seine Lippen nur geformt hatten, was ich zu hören glaubte.
„Sie ist fortgegangen.“
Und so suchte ich wieder die Orte auf, die den Fall ihrer Füße auch gekannt hatten, das Ufer, den Wall, den Hohlweg, die Bank und die Hütte im Wald, jene Orte, die von ihr wußten, und wo ich nun mit meiner Frage alleine blieb. Wohin?
Er hätte mir keine Antwort gegeben.
Am Abend aber …
Meine Mitbewohnerin am Wochenende, über einem Glas Wein in der Küche, also, sie mache sich keine Sorgen um mich.
Wie schön, wenn wenigestens die anderen mein Leben gelassen sehen können. Man sollte das selbst auch einmal ausprobieren, dachte ich, und wurde froh.
Ein Dornfelder, übrigens.
Also, ich tus.
Noch im jetzigen finanziell günstigen Immatrikulationsstatus die restlichen Scheine machen, dann umschreiben, zwei, drei Semester die 650 Einheiten neuer Währung berappen, Prüfung machen, Staatsarbeit schreiben, so richtig mit allem pipapo, und dann auf dem Amtsweg bewerben. Anders wird das nichts. Seiteneinstieg schön und gut, aber bei mir wäre es schon eher durch den Noteingang und mit Gewalt. Ich habe ja Latein nicht studiert, nicht einmal auf Magister, nicht einmal im Nebenfach – alles was ich habe, ist die (MA-)Zwischenprüfung und einen Hauptseminarschein. Da nimmt mich keiner, nicht einmal zur Krankheitsvertretung.
lassen
abwärtslos sich
liebfrauenkirch
glocken
auf
nichts sagen lippchenläppchen
pfeiftief
reibeflächig zerglitt
ver-
spelzenschwamm
gezitter? drehweggreif
auswall jaja, in
leere
stelldicheinander
feuchtfröhliches und
steh-greif-dichtung
runen
des atmens
hieroglyphen-hyphten
epen
in
flüssigharz
sitze am schreibtisch vor dem leeren teller, draußen bläst ein grauer himmel durch die pappeln, ich denke, ich schreibe. gleich geht's nach hause. vom verwalten zum kaffee, vom kaffee zum buch, zum wochenende. vielleicht werde ich einmal lateinlehrer, vielleicht. vielleicht schreibe ich ein buch irgendwann. der sommer geht. höchste zeit, weiterzuwarten. einstweilen schreibe ich tagebuch und gedichte. und briefe an die fremde
ans draußen.
ein klang war, ein wort … ein schlüsselbund fiel zu boden im hof … ein mund lachte … ein warmer leib drehte murmelnd sich um … schweiß duftete … motoren brummten vorbei, und dazwischen
streckte
sich die stille
eine fliege folgte dem zeiger der uhr…
da
dämmerte es … erst später, dann:
Und der Wein? Der Wein?
Es gibt tatsächlich solche Orte, die zu einem Moment oder Momente, die zu einem Ort passen, und vielleicht ist ja auch die Zeit nicht an jedem Ort gleich, sondern schmeckt überall ein bißchen anders, bekommt Falten, streckt sich, flattert, rauscht, bleibt an den Fingern haften, wird transparent oder flüchtig oder ganz ganz schwer. Auf einer Insel bin ich gerne, mit Sonne vollgesogen wie ein Schwamm, zerkratzt von Zikaden, ein Bier, lustige Stimmen, Dünung. Es klingt wie Urlaub, aber das meine ich nicht.
Urlaub ist Zeitvertreib. Wer aber will die Zeit vertreiben, anstatt sie festzuhalten und die Ewigkeit in einem Zikadenflügel schwingen zu sehen?