Sonntag, 16. April 2006

und dann

bleibt man doch da. obwohl nachts wieder an den grenzen der tränen spazierengegangen.

dünnhäutig

Zu früh zurück in die Welt aus Licht und Stimmen. Zu früh wieder auf Reisen. Die Räume zu weit; zu verwirrend und zahlreich die Details; die Fenster voll fremder Himmel. Der prasselnde Strom aus Einzelnem, unüberschaubar; die Abfolge der Überraschungen, die jede neue Stunde, sich aus der alten lösend, hinwirft; die Vielzahl der Zimmer, ein jedes voller Möglichkeiten, alle beängstigend; ich bin überfordert. Ich kann nicht so viel auf einmal.

Ich kann den Instinkten der Heilung nicht nachgehen, die mir nur die konzentrierte, gesammelte Ruhe hat schenken können. Morgens der Neanderthaler, dann die Hauptseminararbeit, dann Mittagessen, Henry Miller, Schlaf. Kaffee und Teilchen. Dann Herodot bis zum Abend, bis in die Nacht, vielleicht abgelöst durch die weitgespannten, langsam voranschreitenden, zum Einhalt zwingenden Perioden Prousts. Und das in einer schönen Folge von Tagen, logisch und richtig im Ablauf, und keinem Zweifel unterworfen: Wieso sollte man auch etwas anderes machen, wenn das vom Vortage so gut tat? Ich wußte nicht, was richtig war, habs einfach getan; und nun geht es nicht mehr.

Ich bin traurig darüber, daß ich glücklich war, ohne es zu wissen, und mich selbst aus diesem blinden Glück wieder verbannt habe, vor der Zeit. Nun bin ich in Lärm und wenig überzeugender Lautheit, in einer wirren Abfolge von Dingen und Kenntnisnahmen, eine so beliebig wie die andere. Nun steht nur noch eine Reise bevor. Und dann trennt mich nur mehr ein schmaler Abend, feinhäutig und ohne Schutz, vom Poltern, der Hast, der Lautheit und Grelle des Alltags. Dann ist wieder Montag. Dann tragen die Tage wieder Namen, jeder einen anderen.

Freitag, 14. April 2006

...

Vor mir auf dem sofa hinter dem bildschirm sitzt die clownspuppe und lächelt mich schüchtern an. Ein trauriges lächeln, hilflos, sommersprossig und so verloren unter dem wirren haar. Warum bin ich hergekommen, denke ich, ein fehler, ich kann ja nirgends hin. Ich fühle mich elend und nach decke über dem kopf und alleinsein, und ich kann nirgends hin. Gestern war es doch so gut. Heute überall die umzugskartons, ich darf nicht helfen, aber zurückziehen kann ich mich auch nicht. Wie stille es war gestern und vorgestern. Wie wundervoll. Warum mußte ich gehen? Hab mich doch gefreut auf die reise, hab mich gefreut, daß ich wieder zu kräften … Nein. Alles zuviel und zufrüh. Bin selbst eine Clownspuppe. Ich will nach hause zurück und in die stille meines zimmers. Und dort weiter gesunden. In die ruhe der letzten fünf tage zurück. In die mitte der schonenden sammlung, des regens auf der terrasse und dem kaffe nach mittäglichem schlaf. Zurück in die Räume, die von Miller, Ovid, Herodot und dem neanderthaler abgesteckt worden sind. nach haus. Unter die decke, unter die dunkelheit. Wenn es nicht so traurig wäre, vor die eltern hinzutreten und zu sagen, ich fahr wieder, es ist so traurig, sagen zu müssen, es tut mir nicht gut, und dann … die lange lange bahnfahrt, der graue rhein. Die möwen. Die verlassenheit der clownspuppe, die einem aus den scheiben zurücklächelt, dahinter die wolken ... der fluß ... noch einsamer als es gewesen wäre, wär ich nie weggegangen.
Fast wäre ich dann glücklich gewesen.

Montag, 10. April 2006

Zu Hause

Das mit den wackersteinen war gar kein so schlechter vergleich.

Wieder zu hause. Etwas hilflos und kopflos in diesem käfig aus vertrautem. Die abende sind später als bei meinem aufbruch, der morgen ist früher. Die rotschwänze haben nicht gewartet auf mich. Nur die krümel auf der anrichte, die saftkreise, die tomatenstielansätze, die sind noch dieselben. Ich habe bedarf an zuviel ruhe. Ich hab keinen bedarf am späten licht. Ich finde auch im dunkeln den lichtschalter.

Im zickzack-kurs durch die räume freier zeit, viel bleibt da rechts und links einfach liegen.

Ich träume wieder. Das recht zum träumen aber gesteh ich mir nicht zu.

Vorhin draußen. Ich bin entwöhnt. Eine woche leise töne, enge grenzen, überschaubare räume, langsame regungen: Und schon komme ich mit dem anprall des lärms und der geschwindigkeit nicht mehr klar. Halb vier nachmittags, und die straßen brausen, das licht zittert, die häuserwände donnern. Zuviel, zuviel, ich möchte schützend die hände übers gesicht schlagen, den kopf abwenden, die schultern einziehen. Fast presse ich mich an die häuserwand. Der wind kommt beladen mit fahrzeugen. Fahrzeuge, so viele so schnelle fahrzeuge, waren die vorher auch schon da?

Rasch wechseln licht und schatten in der engen straße. Die menschen werden von ihren plastiktüten vorangetrieben.

Keine mitbewohner da, und ich drehe die lautstärke auf. Endlich. Wie ein schrei brausen die streicher, ein stellvertretender schrei, ein ersatzschrei, weil man den eigenen noch immer nicht wagt.

Sonntag, 2. April 2006

hernia

nachdem mir meine hausärztin in den schillerndsten farben die zu erleidenden schmerzen ausgemalt hatte:
„sie werden natürlich innerlich schmerzen haben, ganz klar, es wird spannen, sie werden das gefühl haben, der bauch ist zu eng, es wird beim bewegen ziepen, sie werden das gefühl haben, daß sie da statt zwei kunststoffnetzchen zwei wackersteine eingesetzt bekommen haben … da werden sie froh sein, noch nicht sofort nach hause zu müssen …“
nachdem mir also meine hausärztin vorgeschwärmt hatte, wie toll das alles sei, nicht ohne nachblutungen zu erwähnen und erschöpfend auf die drainageschläuche einzugehen, war der ton im krankenhaus selbst sehr entspannt. der arzt und ich plauderten, während die schwester meine armvene perforierte („geht das im sitzen oder kippen sie?“).
der arzt war sehr lustig („dort werden sie dann noch rasiert … also nicht im gesicht, falls sie jetzt denken …“), die schwester, die mir blut abnahm, nicht weniger. der arzt erklärte mir, was ich schon x-mal in den letzten vierzehn tagen gehört und gelesen hatte, es würde der bauch mit Kohlendioxid aufgepumpt (wußte ich schon), eine kamera und zwei geräte eingeführt (wußte ich schon) ein kunstoffnetz am bauchfell festgetackert (der ausdruck „tackern“ war neu) und auch am schambeinknochen (die information „am schambeinknochen“ war neu). auf meine bange frage, wie ich mich nach der op fühlen würde, antwortete der arzt grinsend, langfristig gut.
und kurzfristig?
der arzt zögerte. nun, unmittelbar nach dem aufwachen sei ich zu benebelt, um irgendwas zu spüren, begann er vorsichtig. die schwester aber verdehte mitleidsvoll die augen, während sie ein röhrchen an der kanüle wechselte.
„aber dazwischen … !“ stöhnte sie und schüttelte, schwach seufzend, den kopf.
der arzt führte dies genauer aus:
„dafür, daß sie zwei postkartengroße wunden im bauch haben werden, so etwa“ – und er machte mir dies anschaulich, indem er mit einer handbewegung eine ungefähr einen quadratmeter große fläche abgriff – „dafür also wird es ihnen vergleichsweise gut gehen.“
die schwester zog die kanüle heraus und ich eine grimasse. „mal eine weile fest drücken. so ist gut.“
ich fühle mich schon jetzt gut aufgehoben.

...

und ich bin wieder geneigt zu denken: wenn ich DAS erst nur hinter mir hab …

aber und dann? ja, was ist dann? warum vermeine ich, dann glücklich zu sein, wenn ich VORHER doch auch nicht …

es poltern dann doch wieder die luxusmelancholien los, der künstlerschmerz, der kunst-schmerz, das leiden aus plastilin. es bekommen doch die verluste, die ängste, der liebeswunsch wieder ihre frischen farben, chamäleonblaß, wie sie jetzt sind. haben sich getarnt, glauben, ich sähs nicht.

und ich sehe es wirklich nicht, jetzt. glück als schiere erleichterung. glück als NICHTS VOR SICH HABEN. glück als das freisein von unglück oder schmerz. wie lange hält das?

„irgend etwas ist immer“

und dann: irgendwann kommt es ja doch noch einmal auf einen zu, mindestens. das größte ereignis. wie kann man sein leben wohlgeordnet und glücklich damit zubringen „istjanochzeit“ zu sagen, und es dabei nicht einmal zu denken?

Freitag, 31. März 2006

wasserschildkröte

einmal erzählte mir E., wie sie in griechenland auf dem markt eine wasserschildkröte gekauft habe. es gibt in Athen ganze straßenzüge, in denen allerlei haustiere zum kauf angeboten werden, volieren mit vögeln sind da aufgereiht, käfige mit hamstern, mäusen und kaninchen, wasserschildkröten in großen eimern. so eine wasserschildkröte, ein kaum kinderhandgroßes tier, kaufte E.; bekam ein gefäß mit, ein eimerchen vielleicht, oder eine plastiktüte mit wasser, ich weiß es nicht mehr, und damit ging sie nach hause.
und da war sie nun, die wasserschildkröte, bei E. zu hause. saß in ihrem eimerchen, hatte das köpfchen halb aus dem wasser erhoben und paddelte verloren mal hierhin, mal dahin; und als sie das erzählte, da legte E. ihre stirn mitleiderregend in falten, weitete die hilflosen augen und bewegte die angewinkelten arme wie beim schwimmen, so sei die wasserschildkröte in ihrem eimerchen herumgeschwommen, sagte sie, „das war so traurig, wie die wasserschildkröte allein in ihrem eimerchen herumschwamm, das köpfchen halb aus dem wasser, – wo bin ich, was mach ich hier? –, ich hab das nicht ertragen“, sagte sie und machte noch eine hilflose schwimmbewegung.
anderntags brachte sie die schildkröte zurück zum händler. „Δεν μπορώ“, sagte, sie, „ich kann das nicht.“ der händler nahm das tier zwar zurück, das geld wollte er E. aber nicht herausgeben.
ab und an denke ich an diese wasserschildkröte und wie E. die arme anwinkelte und die stirn in falten legte, und es greift mir ans herz.

Montag, 27. März 2006

Exypnon

soll ich dir zeigen
ob du träumst
oder wachst?
fragte der traum
und kniff mich
in den oberarm

Freitag, 24. März 2006

manchmal

was ersehnt diese sehnsucht eigentlich? … wenn man so sehr und so lange etwas will, bis das, was man will, zurücktritt und unsichtbar wird und schließlich ganz aus dem wollen verschwindet. allein, daß man will, bleibt: eine hohles gefäß wollens, in das man so komplett hineingewachsen ist, daß man es vollkommen ausfüllt.

Donnerstag, 23. März 2006

Paul-Schallück-Straße

ich stelle mir vor, daß dort die schwarzweißgeringelte tasse immer noch steht, auf dem klavier, und daß eben erst der dumpfe, saitenverstärkte hall verklungen ist, mit dem sie dort aufkam. ich stelle mir vor, daß alles so ist, wie es war, als ich ging. vielleicht mit ein wenig staub überall, mit lustig wirbelnder leichtigkeit vor den morgendlichen fensterscheiben, einem duft nach unbewohnheit, oder nach ebengegangensein; daß das licht eingefroren ist über den blüten des ahorns; daß gegenüber die menschen überm schreibtisch sitzen, weder unbeweglich noch in bewegung, gerade nur so, wie jemand still steht, den man mit einem raschen blick erfaßt und wieder fortstößt, starr, obwohl vielleicht inmitten einer fließenden bewegung.
ebenso dieses zimmer, starr inmitten von bewegung, erfüllt von tanzendem staub, behängt mit träge wippendem papier, beschriebenem, das mit einer reißzwecke angepinnt ist; stille inmitten von klang, das knarzen des futons, das hohle poltern, mit dem die tasse aufs klavier trifft, verhalten, um eine schlafende nicht zu stören. das eine wird für immer eben erst gewesen sein, das andere wird für immer noch sein. gleich. jeden moment.
dieser raum hat sich abgelöst von allen räumen, die ich nun bewohne oder nicht bewohne. nur mehr zugänglich der vorstellung, verharrt er nun ewig in einem augenblick, kurz bevor jemand fragt, soll ich dir einen kaffee machen? und dennoch liegt staub über den noch fußwarmen sportschuhen am fenster, das handtuch ist noch feucht, die stretchhose zerknüllt unter dem zerschabten lederrucksack, der sich nicht mehr schließen ließ. ein sonnenstrahl liegt quer über einem mit georgischen schriftzeichen bekritzelten blatt papier, das nicht mehr vergilben wird. am klavier biegen sich die photographien. und werden sich immer biegen, die farben dazu verdammt, immer frisch zu bleiben, die gesichter immer strahlend. hier kann es nicht nacht werden und nie richtig tag; es herrscht ein ewiger morgen, mit dem immer im selben winkel verharrenden licht, dem staub, der tasse, in der noch der duft des kaffees ruht, eingefangen zwischen feuchter wärme und eintrocknung, und ein faden flüssigkeit spannt sich über die keramik, schwarz und weiß geringelt.

Montag, 20. März 2006

Aequinoctium

mitten im lauf erstarrte
plötzlich
zenon angesichts
des widerspruchs

sagt man

der streit widerstreitet
sich selbst
und endet

im streit

Freitag, 17. März 2006

Nittel

ein regen schlief. ein fenster stand weitauf. leise stahl der mond der nacht eine stunde. lichtrauten schufen die wände wieder, während … und jetzt –
(einmal …. )
da
war sommer …
da war noch einmal: ein aufschub. ein weg. eine helle kreuzung. die man hätte nehmen können, die man nicht nahm. man streut es hin mit einem achselzucken und ein vogel kommt und pickt es auf. das ist alles.
sonne schien rechts, links stand der fuß auf schattenkühle. der hasel flatterte gegenüber. eine brise war. sonne war. menschen waren, unaufmerksam in eine ecke geweht, stimmen waren, und erwartung. der garten lag leer einen halbsommer. immer noch schwebte der fuß, bis er warm wurde in der sonne, immer noch hafteten links die zehen am stein, vergeblich kühle von sich streifend. um die andere ferse schloß sich gras weingedämpft. da zuckte die pupille, und sonne brandete und stirn schwamm davon über grünzerspelltes funkeln. lider senkten sich, lider schirmten. mit so einem schritt vornüber tauchend ins sonnenlicht fallen, aus dem schatten geneigt, einen hellen schritt. und immer. und immer.

und ewig. (sekt schaukelt in der hand)

zischende holzkohle, linkerhand spülte die sonne um finger, stimmengewirr hob sich und fiel ringsum, trunkener blick stolperte übers gras. eine großmutter schnarchte bedrohlich im liegestuhl, zuckte die achseln übers ersticken. feuchtigkeit schlug sich am wein nieder, wobei fett aus dem eschenahorn austrat. es tat gut, die hände vor sattheit niederfallen und ruhen zu lassen, es tat gut, zu schweigen, es tat gut, einfach alles ruhen zu lassen, mucksmäuschenstill. es tat gut, nicht zu denken, untätig zu sein, auch wenn es feststand, daß später das denken über uns kommen würde wie ein helleuchtender wirrer sturm. es tat gut, zu atmen.
ich war muchsmäuschenstill.
irgendwann jener tage steckte ich mir einen apfel ein und ging alleine in den wald. unruhige pläne geisterten herum, doch war man froh und voller vager zukünfte. träge blätterte man in büchern, schläfrig vom mittag. dann gab es essen. oben im haus warteten keusche nächte der liebesruh, und ein vertrauendes antlitz, das später in absurde gleichgültigkeit sich lösen sollte und vieles löschen auf immer: später, jahrhunderte später, als einmal herbst war.
da weiß man nicht: soll man vielleicht lachen? das weinen blieb im hals stecken, während die rosen wieder ausschlugen.
als wäre nichts gewesen, haben zwei jahre und ein bißchen mehr zeit die augen geschlossen.

ein regen schlief. ein fenster stand weitauf. leise stahl der mond der nacht eine stunde. lichtrauten schufen die wände wieder, während … und jetzt –

...

wieder, und derzeit die einzige möglichkeit eines atemzugs glück (oder etwas ähnlichem, voll davon): mich selbst ablegen in geschriebenem. für einen augenblick, der nicht länger dauern muß als es braucht, den stift niederzulegen: frei sein von mir selbst.

Mittwoch, 8. März 2006

motto ..

... fürs erste geändert.

1981

das ist einfach grotesque, widernatürlich, unanständig. ich möchte nicht von sabbern sprechen, aber letzten endes ist es dieses wort, das in den gewölben widerhallt.
es kommt mir wie ein wahnsinn vor. was habe ich da zu suchen, nichts. elf jahre, ein augenblick, ein schicksal. zwei reisende in sich kreuzenden zügen, die einander für die schreckliche dauer eines wimpernschlags ins antlitz schauen und sich dann verpassen auf immer. doch in meinem fall, denke ich mit bitternis im herzen, hat es nicht einmal einen solchen augenblick gegeben; denn wir haben uns schon vor unserer geburt verpaßt; von anfang an konnten wir einander niemals mehr begegnen. (wenn es denn überhaupt beide gewollt hätten, versteht sich.) elf jahre. ein leben. sterblich sind wir von geburt an.
was für ein morgen ist das wieder, denke ich. jetzt mußte ich auch noch davon träumen. ein kuß. ein gemeinsames bad. ein sonnengebräunter rücken mit den hellen blässen des badeanzugs darauf sich kreuzend. ihre hände, die sie nicht schön findet, aber ich. ein traum: und noch im traum plötzlich die unumstößliche gewißheit, daß es nur ein traum war. ja, aber sie hat mich doch geküßt? wehre ich mich gegen mich selbst, aber ich muß es doch einsehen. und dann erwache ich, und es war wirklich nur ein traum, und der briefkasten ist wirklich wieder leer.

Dienstag, 7. März 2006

Geh!

Da sprang sie hinaus in den Garten in wildem Zorn, und Feuerströme von Tränen brannten auf ihren Wangen. Im Frost dampfte ihr warmes Haar. Der Rauhreif eiste ihre Füße. Da riß sie sich sämtliche Kleider vom Leib und sprach: „Geh fort. Nimm dein Schiff, fahr hinaus ans Ende der Welt, strande an verlassenem Gestade, zerschelle auf grausamer Klippe, versinke im tiefen Blau, und das Wasser möge den Glanz deiner Lichter löschen. Geh. Denn fort schicke ich ich dich, daß nie mehr ich dich sehe und leide am Blick deiner Augen.“
So sprach sie. Dann entzündete sie ein Feuer und warf ihre Kleider hinein und sah zu, bis sie vollständig verbrannt waren. Ihre Füße schmolzen das Eis im Grase zu ihren Füßen, der Flammenschein zuckte auf ihren Brüsten und schimmerte in den tiefen Brunnen ihrer Augen, und sie fror nicht.

in kürze

ich schrie gegen die wand
die wand
blieb weiß

Montag, 6. März 2006

zurückwies

man will gerne ablehnen. man möchte gerne zurückweisen, auch wenn es nichts zum zurückweisen gibt, weil ja keine vorschläge oder aufmichzugänge vorkommen, die man zurückweisen könnte; man möchte gerne abweisen, obwohl man es sich eigentlich nicht leisten kann, man möchte gerne abweisen, weil man es sich nicht leisten kann.

Freitag, 24. Februar 2006

kein

niemand
schreie ich ins nichts
und das nichts
nimmt es hin

das schweigen hat viel raum
da kann man schreien so viel
man will.

paßt immer noch ein
keil verzweiflung
hinein irgendwo
zwischen einmal stille
und zweimal stille

wieder schweigen?
nein
jedes
schweigen
hat ja seine eigene maske

und darunter
wir selbst, unerträglich
gespiegelt

jede keine antwort
ist eine neue keine antwort
ein nie gehörtes kein ja
ein ganz frisches kein lächeln

wie ein frühlingsmorgen
ja, jedes abwenden
lächelt auf seine eigene weise, und

jedes mal leerbriefkasten
fügt dem warten
ein neues steinchen zu

hart wie glas
draus baut man sich einen palast
da ist viel platz, wie im nichts
zeit hat man ja nun

genug

tagesschau

so leicht lassen die türen sich drehen, daß einen der ekel überkommt. türauf, türzu, türauf, licht an, stuhlgeplumpse, müdrücken, und die tastatur hängt sich wie fanggewebe an die finger. das bekomme mal einer wieder weg.
tagesekel. lichtekel, baumekel, fensterekel, und zwischen den augen blaut lüstern allfällig der sturm. lammellierte sonne zirpt in zerscheibtem himmel, indes ansagenlautsprecher mürben lärm herauswürgen, und da stehen sie wieder mühelos, die alltäglichkeiten, bereit, unseren händen zuzuspielen; keine sperre stellt sich in den weg, mit spannung erwartet man die neusten überraschungslosigkeiten. frau soundso, die alle welt kennt, ist schwanger von herrn xy, den auch alle welt kennt, aha aha. auch schon öfter gesehen: öffentlich angepriesenes gift, das ein besseres leben verspricht, obwohl es tödlich ist. auch schon dagewesen: eingeweide auf asphalt. allerdings haben die ihren ganz eigenen charme, zugegeben, vor allem, wenn noch brustkorb und beine dran sind und sie als verwackeltes videobild dargeboten werden. da schaut man gerne hin, da macht man es sich gemütlich. hier werden embryonen gegen eine wand geklatscht, um sie zu töten, dort brüllt unterdessen ein waschmittel steife parolen, und die mutter liegt gebrochenen blicks mit klaffendem bauch in der gosse. mit zwilling schneiden Sie immer gut ab. wir waren dabei, als man dem freischärler einen spitzpfahl vom anus her durch den leib schob und belegte brötchen dazu salsa tanzten, wir haben es gehört, wie eine zahnpasta das ewige leben predigte. aber beruhigend, daß nichts so schlimm kommen kann, daß sich irgendwas änderte. es ist alles in bester ordnung. erwartungsgemäß krähen die stimmen, die keiner hat hören wollen, und vor lauter freude gehen die uhren im gleichtakt. keine spur von sand. die sache läuft rund. bremsen wird allmählich gefährlich. aber warum auch, wo doch der fahrtwind so schön kühl ist.

und weil das ich bedeutender ist als der tod des freischärlers: wäre das ein leben gewesen, frage ich mich. aber welches. und auch das hat man hinter sich schon lange, längst ist man in einer welt nach den jahrhunderten angelangt, längst pfeifen die leeren räume, und vor uns ist alles schon gewesen und gut sortiert und aufgeräumt. anfänge heulen den mond an nächtelang. wäre, ach wäre wenigstens ein brausender abgrund. aber selbst ein schöner sturz ist kaum mehr originell. der untergang ist auch nicht mehr das, was er einmal war. zu viele gehen dafür unter. zwischen leben (öd) und sterben (öd) bleiben nur noch die glanzlippenmoderatorinnen, gewinnspiele ohne gewinn, der konjunktiv, der allesmixer, 0190er-nummern, free sample sex videos, absatzfördernde labyrinthe, funkvogelschreie, sommerschlüsse, diätetische warnungen (daß einem nicht langweilig wird), cellulitislotionen, die neuerdings cellulitelotionen heißen; und hilft das nicht, haben wir ja zum glück noch telephonhüllen, geköpfte söldner, singende krokodile, verbuddelte säuglinge, personalized sneakers, abgehackte gliedmaßen, mißhandelte kindergärtnerinnen und andere alltagsspäße. von gedärmen auf straßenpflaster war ja schon die rede. halbtransparente erdkugeln drehen sich zu einem weckergepiepe, als hätte unser letztes stündlein geschlagen (was es wohl wirklich hat). wird alles zu spaßhaft, bleibt natürlich zur erernstigung immer noch der METUS TERRORIS. sei wachsam, überall kann es dich treffen. jede jeansjacke ist verdächtig. und wenn es am end eine lederjacke war, macht es auch nichts. so ist dafür gesorgt, daß man nicht nachlässig wird, daß man mißtrauisch bleibt, sorge dich, aber vergiß nicht, dich zu UNTERHALTEN. sorge dich nicht zuviel, und vor allem, ohne deinen denkapparat in betrieb zu nehmen. der himmelTM ist auch schon aufbereitet. und rauchen kann tödlich sein. wäre es nur so. es bleiben statt dessen für einen schnellen tod nur stricke aus öko-sisal (für neurodermitiker geeignet), rasierklingen mit kindersicherung und schales gift® (light) mit naturidentischen aromastoffen. vorsicht! enthält eine phenylalaninquelle.

wo bleibt man da mit der herzensangelegenheit. mit der herzensangst. überhaupt mit dem ganzen herzen, schon zuckt man zusammen, als hätte man etwas schwerverdauliches gesagt. nimm mir nicht das wort aus dem mund, aber es ist schon zu spät. für jede regung gibt’s schon eines, und man kann sicher sein, daß es bereits schimmel angesetzt hat. wie soll ein gefühl noch an die hochglanzseiten heranreichen? und wie sollte mein, unser kleines fühlen den televisionären, den maximalen, den bunten ansprüchen genügen? ein wort wie liebe, lächerlich. ein wort wie zorn, anmaßend. --- ein wort wie du: unbrauchbar geworden. wir sind vorgelebt, wir schnittmustermännchen. wir sind kopien und nacheiferer imaginärer originale. du bist verliebt? sei doch nicht albern. du bist verzweifelt? so’n quatsch, du bist ja nicht mal im fernsehen. du bist traurig? ich bitte dich, du kannst dir ja nicht mal den therapeuten leisten, der dir das diagnostiziert.

da könnte ja jeder.

VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

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