O tempora, o mores!

Dienstag, 15. April 2008

Rauch

Bogenförmige Versteifung … Irgendwo hatte ich diesen Ausdruck schon einmal gehört. Ich erhob mich, sah, daß die Frau gegenüber mich anstarrte, starrte freundlich zurück (erhaschte dabei einen rieselnden Blick auf ihr nacktes Kinn), suchte in der Weste nach den Zigaretten und begriff, daß hier abermals ein Fall von absurder Steigerung eines durch elementares Unglück verursachten Kummers infolge eines an sich völlig belanglosen Ärgernisses vorlag. Und so war ich wie ein Hiob ordentlich verzweifelt, als ich feststellen mußte, daß sich all meine Rauchwahre oben in der Wohnung befand. Vor der die Fahnder auf mich warteten, wenn sie nicht schon die Geduld verloren hatten.
Steif erhob ich mich und ging zur Theke.
Ich äußerte meinen Wunsch, griff nach der Geldbörse, suchte darin einen Schein und sah beim Aufblicken, daß die Verkäuferin mich bewegungslos ansah. Erwartungsvoll. Ich schaute nicht minder erwartungsvoll zurück. So starrten wir eine Weile; hatte sie vielleicht nicht richtig gehört? Doch während ich meinen Wunsch wiederholte, beschlich mich wieder das Unbehagen, das ich in den letzten Wochen und Monaten so oft empfunden hatte. Was war jetzt wieder falsch?
Sie hob leicht die Schultern, öffnete weit die Augen, und da war es wieder. Ich erinnere mich nicht, wann die Leute damit anfingen. Lexikalisch war es ein „ja“. Der a-Laut aber ganz kurz und wie abgerissen vom nachfolgenden, deutlich hörbaren Kehlkopfverschluß, was immer so klang, als habe ein Sturm das Wort weggeblasen. Ja’. Man ließ die Schultern nach vorne fallen, reckte den Kopf vor, riß die Augen weitauf, und dabei machte man ja’, hielt die Stimme an und damit die Spannung (man konnte förmlich die Bauchmuskeln sich kontrahieren sehen), vielleicht schüttelte man auch ein wenig den Kopf dabei, während, ja’, die Stimme vermittels der Körperspannung illusionär fortklang, um dann nach einem Schreckmoment wieder einzusetzen, so wie jetzt.
„Ja’ – Ihre Kaaaarte! Die letzten beiden Wörter wie das herrische Motiv eines Marsches oder düsteren Tanzes, dada diiiiii da, verärgert, ungeduldig, unduldsam. Ihre Kaaaarte. NunmachenSieschon.
Welche Karte? Sie hatte die Hand schon ausgestreckt. Am Ringfinger trug sie einen quietschrosa Ring. Ihre Nägel waren so lang, daß ich durch das dünne Horn den abspringenden Lack auf der anderen Seite sehen konnte. Mir dämmerte, was sie von mir wollte. Ich schüttelte den Kopf.
„Ohne Karte kein Rauch.“
„Hören Sie … ich hab sie vergessen, ich … wußte nicht, wie lange …“
„Ohne Karte kein Rauch.“
„Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?“
„Hören Sie, da könnte ja jeder kommen und wollen, daß man ’ne Ausnahme macht. Nee nee, entweder Sie haben eine Karte, damit der Rauch ordentlich verbucht wird, oder es gibt keinen Rauch.“
„Aber ich … nur unter uns … vielleicht … braucht doch keiner zu erfahren …“
„Nein, es – geht – nicht! Selbst wenn ich einverstanden wäre – was ich nicht bin, schließlich muß ich letztendlich dafür aufkommen, wenn Sie Ihre Gesundheit ohne Rückstufung ruinieren – aber selbst wenn, wie gesagt, es geht nicht. Der Automat gibt mir nur nach Einlesen der Karte Ware heraus. Ist automatisch. Nichts zu machen. Tut mir leid. Au – to – ma – tisch.“
Ich hätte es wissen müssen. Wie so oft in letzter Zeit hatte ich die Lage unterschätzt. In einer resignierten Geste ließ ich meine Handfläche auf den Tresen aufklatschen und wandte mich ab; und schlurfte, noch ein Stück müder, durch den Sonnenfleck zu meinem Tisch und dem kaltgewordenen Tee zurück. Dabei schloß ich einen Moment geblendet die Augen, und es schien, so lange ein Herzschlag dauert, daß der Boden in einer spiegelnden Bewegung wegkippte. Ich griff hastig nach der Tischkante. Nach einem Atemzug wurde das Bild wieder klar. Vor den Scheiben fuhr ein Lastkraftwagen an, lautlos eine Abgaswolke aus dem Rohr blasend.
Die Sonne blitzte noch einmal über die Scheiben, der Fahrer schaltete, eine weitere Rauchwolke drang aus dem Schornstein; die Straße jenseits der Berberitzenhecke zitterte und dröhnte, und in diesem Moment begriff ich endlich: Ich mußte weg.

Freitag, 11. April 2008

... wird Sturm ernten

Habe heute früh die Glühbirne ganz herausgedreht.
Meine Hofnachbarn gegenüber, zwei junge Frauen anfang zwanzig, haben zwei störende Angewohnheiten. Erstens pflegen sie beim Fortgehen wie beim Nachhausekommen lautstark miteinander zu palavern (wobei man sich fragen muß, was man noch zu besprechen hat, wenn man zusammen wohnt, zusammen weggeht, zusammen wiederkommt, zusammen studiert, und, wie mein Mitbewohner zuverlässig berichtet, selbst den Einkauf von Schreibwaren gemeinsam erledigt), währenddessen mit den Fahrrädern zu klappern und mit einer Kunststoffpersenning zu rascheln, ungeachtet der abendlichen, nächtlichen oder auch frühmorgendlichen Uhrzeit. Zweitens: Sie lassen abends über der Eingangstür das Licht brennen. Da mein Schlafzimmerfenster auf den Hof hinausgeht, den zum einen die Lampe taghell und bis ins Zimmer hinein ausleuchtet, wo zum anderen jedes auch nur zaghafte Geräusch widerhallend verstärkt wird wie in einem Kirchenraum oder einem Kellergewölbe, finde ich diese beiden Angewohnheiten derart gräßlich, daß ich mich seit einiger Zeit wenigstens des Lichteinfalls durch eine entschiedene Maßnahme erwehre, indem ich nämlich das Gehäuse der Lampe auf- und die Glühbirne gerade so weit herausschraube, daß sie keinen elektrischen Kontakt mehr hat. Gegen Palaver, Fahrradklappern, Persenningrascheln kann ich nichts tun.
Heute nacht war es vier Uhr. Morgens.
Ich wurde von den Stimmen wach, vom bekannten Klappern, hörte, wie die eine ausrief, oh Mann, das Licht ist aus, da sieht man ja gar nichts, dann mehr Fahrradklappern, das Geräusch des Ständers, das Rascheln der Persenning, und das alles in einer Lautstärke, die nicht die geringste Vorsicht oder Rücksicht erkennen ließ, dann hörte man ein Schrauben, und das Licht ging wieder an. Die Tür fiel ins Schloß, Schlüsselklirren zweimal, dann Stille. Irgendwo gurgelte eine Toilettenspülung. Der Hof taghell, die Zeit: 4:03. Sie hatten es einfach angelassen! Brauchten es nicht mehr, waren ja zurück, und ließen es brennen! Was glauben die eigentlich, warum ich die Birne rausdrehe, zur eigenen Recreation des Gemüths?
Habe heute früh, im Morgengrauen, kurz nach sechs, die Birne ganz herausgedreht und an mich genommen. Wer Wind sät ...

Mittwoch, 9. April 2008

Cafeteria

Ich starrte ihr unter den Maskenrand, länger als es schicklich war, fing einen Blick von ihr auf, der mich schmerzvoll an jenen amüsierten Mut-em-Enets oder Astartes erinnerte, den sie mir damals in der Straßenbahn nicht zugeworfen hatte, senkte rasch die Augen und starrte auf den weißgrellen Sonnenfleck auf dem PVC, wie er sich langsam vorschob und dabei eiförmig zerfloß. Die Tüte mit Eßbarem knisterte, die Füße der Frau scharrten, Lederknarren und ein leises, mit äußerster Zurückhaltung nicht mehr unterdrückbares Räuspern war zu hören, das unter dem Dämpfer der Maske beinahe melodiös klang, jedenfalls nicht krank. Eine Fliege landete vor mir auf dem Tisch. Ich erschrak: Wie lange war es her, daß ich keine Fliege mehr gesehen hatte? Ein merkwürdiger zweiter Schrecken floß aus der Frage, wie es wohl kam, daß die Fliegen rar geworden waren – oder wurde ich allmählich verrückt? Wie still dieses dunkel schimmernde, von fahlgrauem Pelz spärlich bedeckte Insekt dasaß … was geht wohl im Nervengeflecht eines solchen Tiers vor sich, während es scheinbar teilnahms-, jedenfalls der Anschauung nach bewegungslos dasaß? Träumte es? Dachte es? Und was waren das wohl für Gedanken? Langweilte es sich vielleicht? Jetzt hob es eines seiner dornigen, wie mit Widerhaken besetzten Beinchen, das linke des ersten Beinpaars. Sah es mich an? Schimmerte mein Abbild da drin in den irisierenden Schleifflächen der gut zwei Drittel des Kopfsegments ausmachenden Augen? Ich beugte mich und ging in die Hocke, bis meine Nasenspitze die Tischfläche berührte. Im aus den Neonröhren schleichenden Licht warfen die Fliegenbeine allerfeinste Schatten auf die Resopalplatte. Der Pelz aus feinem Haar bedeckte den Körper nicht gleichmäßig, das meiste davon bildete eine Art von Stola oder Schal um die Fugen zwischen Kopf- und Brustsegment. Vereinzelte Büschel aber staken auch auf dem rundlichen Hinterleib, als litte das Insekt an einer Art Arthropoden-Alopezie. Auf der Unterseite dieses von bogenförmigen Versteifungen geteilten Segments wölbte sich etwas wie eine Tasche oder ein Beutel, eine knollenförmige, dunkle Ausbuchtung, die, so weit ich das mit bloßem Auge erkennen konnte, von einem krustigen Schorf bedeckt war. War das Wesen krank? Nährte es da einen Parasiten, ein Nest aus Würmern, oder war es einfach nur Schmutz? Aus einer Verletzung ausgetretenes, geronnenes, die Wunde schützendes Sekret? Oder trug es darin Eier mit sich herum? Ob so ein Tier auch die Verzweiflung spürte, fragte ich mich plötzlich, angesichts einer solchen Cafeteria, der Flecke auf dem Boden, der Frau mit den Gurkenbrüsten gegenüber, dem schorfigen Gebilde unter dem eigenen Bauch? Das abgespreizte Bein zitterte ein wenig. Es zeigte, wie ich da vor dem Tisch hockte, genau auf mich. Et tu Brute! schien es zu sagen. Plötzlich wandte die Fliege sich in einer zuckenden Bewegung um, als sei sie brüskiert, machte einen Sechsschritt und erhob sich im nächsten Augenblick in die Luft, wo sie sich beim Wechsel aus dem Schatten in die Fensterhelle von einem dunklen Punkt in einen Leuchtstreif verwandelte, und gleichsam durchstrahlt in der sonnenhelle Tiefe der Cafeteria verglomm.

Freitag, 4. April 2008

...

Beim Aufschlagen der Zeitung fragte ich mich plötzlich etwas Merkwürdiges, nämlich, Wieviele, murmelte ich und nahm einen Schluck kaltgewordenen Kaffees, der ebenso schal schmeckte wie der Himmel draußen trübe war, Wieviele Menschen würden wohl von 100 km Ethanol-Getreide satt?

Montag, 11. Februar 2008

nachtrag: immerhin

was sonst nach unglücken immer als erstes passiert, ist ausgeblieben: noch hat kein politiker, nur weil er das pech hatte, zur fraglichen zeit im amt zu sein, in dieser angelegenheit zurücktreten müssen.

Freitag, 8. Februar 2008

...

Ein Haus steht in Flammen, neun Menschen sterben. Na, und? möchte man mit der Schulter zucken. Zum Vergleich: im Jahr 2006 starben auf Deutschlands Straßen 5316 Menschen bei Unfällen. Das sind 14 Menschen täglich. Jeden Tag ein zweites Ludwigshafen. Wen kümmert’s? Es ist in den letzten Tagen so viel vom Mittrauern die Rede gewesen. Warum trauert keiner mit den 14 Verkehrstoten täglich mit? Die Wahrheit ist doch: Gestorben wird landauf landab, haufenweise in jeder Stunde, und wer da überall eine Betroffenheitsmiene ziehen und mittrauern wollte, ach herr je!, der käme aus dem Trauern und Mieneziehen gar nicht mehr heraus.
Der Verdacht liegt nahe, daß man sich daher lieber bescheiden gibt und realistisch bleibt und das Mittrauern auf einige besonders schöne Fälle des Sterbens beschränkt. Natürlich die, von denen man überhaupt Kunde hat, weil die Kamera dabei war. Hilfreich ist da wohl auch, wenn gleich mehrfach auf einmal gestorben wird, erstens, weil sich die Mittrauer besser konzentrieren kann, zweitens, weil es einfach mehr hermacht, als so kleckerlesweise hier und da über die Autobahnen der Republik verstreut. Und drittens ist so ein Autounfall doch ziemlich banal, das kennen wir schon, wir haben uns ans Sterben auf der Autobahn gewöhnt, wie langweilig. Aber ein Wohnungsbrand, zudem, wenn die Zeitungen bei einem kleinen Feuerchen schon das Wort „Katastrophe“ bemühen – uiuiui, das ist schon was anderes als ein bißchen Reifenquietschen.
Zudem weiß man ja, daß alle anderen auch davon gehört haben und mittrauern. Und in der Gemeinschaft trauert’s sich einfach schöner. Das hat etwas geradezu Anheimelndes. Man kann auch eine Kerze solidarisch ins Fenster stellen. Hach!
Aber wie sehr ich auch in mich hineinhorche: So recht will mir bei solchen Anlässen das Trauern nicht gelingen. Die Verstorbenen sind mir fremd und bleiben mir fremd, und hätte ich von ihrem Tod nicht in der Zeitung gelesen: Ich würde den Unterschied gar nicht bemerken! Dieses kollektive Getrauere – manchmal kommt es mir gar ein bißchen verordnet vor.
Aber ob die Mittrauer nun echt ist oder nicht: Jedenfalls scheint mir das alles doch den Verdacht des Unverhältnismäßigen nicht so einfach abstreifen zu können. Daß etwa kein geringerer als der türkische Ministerpräsident eigens angereist kommt, um in Ludwigshafen nach dem rechten zu sehen, mag man als ein Musterbeispiel der fürsorglichen Anteilnahme eines Staatschefs für seine Bürger loben – verhältnismäßig ist es nicht.
Der Gipfel des Unverhältnismäßigen aber ist das Brimborium, das über die Herkunft der Bewohner fraglichen Mietshauses gemacht wird. Es ist ganz einfach egal, ob sich in dem fraglichen Gebäude nun Maori, Schwaben oder Eskimos aufgehalten haben. Tot ist tot. Wenn es ein Verbrechen war, wird man das herausfinden, es wird eine Untersuchung geben, der oder die Täter werden gefaßt werden. Punkt. Alles weitere ist einfach nur belanglos.
Und muß auch belanglos sein. Eine aufgeklärte Gesellschaft würde die üblichen Mittel der Strafverfolgung einsetzen, ohne Ansehen der Herkunft der Opfer; eine aufgeklärte Gesellschaft würde über politische Konsequenzen erst dann zu sprechen beginnen, wenn sich die Tat tatsächlich als fremdenfeindlich erwiesen hat, vorher nicht; eine aufgeklärte Gesellschaft käme zuallerletzt auf den Gedanken, es könne sich um einen fremdenfeindlich motivierten Anschlag handeln. Ganz einfach, weil ihr ein solcher Gedanke fernläge. Offenbar liegt ihr ein solcher Gedanke aber nicht fern, so wie der Sünder die eigene Sünde bei den anderen immer zuerst vermutet. So leistet jedes weitere Wort dem Verdacht Vorschub. Möge jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Und trauern.

Medien

"Wohnungsbrand" auch nicht mehr.

Medien

Ich kann das Wort "Filmfestspiele" nicht mehr hören.

Donnerstag, 24. Januar 2008

...

Sehr geehrte Frau ----,

in der Frage, ob Sie über die 2 bewilligten Fehlstunden hinaus der nächsten Sitzung fernbleiben dürfen, weise ich Sie darauf hin, daß es erstens in Ihrem eigenen Interesse ist, die Lehrveranstaltungen in Ihrem Studium regelmäßig zu besuchen, und zweitens, daß die eingeräumten 2 Fehlstunden durchaus nicht für Vorträge oder außerplanmäßige Sitzungen anderer Seminare vorgesehen sind, sondern für den Krankheitsfall. Ich gehe also davon aus, daß Sie wirklich gesundheitlich angeschlagen waren und sich nicht lediglich in der "Planung" Ihrer Fehlstunden verkalkuliert haben. Ich empfehle Ihnen unbedingt, an der Sitzung teilzunehmen; 3 Fehlstunden von 13 Sitzungen sind immerhin fast ein viertel, und es ist die Frage, inwieweit die Ausstellung eines Papiers, das Ihnen "erfolgreiche Teilnahme" bescheinigt, im Falle Ihres dreimaligen Fehlens gerechtfertigt wäre. Sollten Sie nach Abwägung dieser Einwände dennoch zu dem Entschluß kommen, der Sitzung fernzubleiben, werde ich Ihnen den Schein – Erfüllung der übrigen Anforderungen vorausgesetzt – nicht verweigern. Bedenken Sie aber bitte, daß es für Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die immer anwesend waren und sich dasselbe Papier hart erarbeitet haben, vielleicht nicht auf das größte Verständnis stößt, wenn andere denselben Schein mit weitaus weniger Aufwand bekommen.

Mit freundlichem Gruß
T. Th.

Dienstag, 8. Januar 2008

Ecce undique ... clamor

Es ist wie eine lange zurückgehaltene, angestaute Energie, die sich plötzlich Bahn bricht: Die Straßen summen und vibrieren von nahem oder fernem Verkehr, Gehwege und Plätze sind dicht von Fußgetrappel, überall ein Blinken und Zucken und Lärmen verschiedenster Maschinen, und selbst der Fahrradständer vor dem Supermarkt ist völlig verschraubt und verklemmt von Blech.
Jedes Jahr zweimal dasselbe Phänomen, nach dem Drei-Königs-Tag und dann am ersten Schultag im August, diese plötzlich überschießende Aktivität, als sei alles und jeder froh, daß es endlich weitergehe mit der Betriebssamkeit. Genug geruht, jetzt muß wieder gelärmt und geschwurbelt und herumhektisiert werden. Nur nicht stillestehen! Nur keine Stille! Nur nicht nachdenken müssen und ins Grübeln kommen. Hauruck!
Während ich selbst gerade erst angefangen habe, den Lärm abzulegen und in diese köstliche Stille zwischen Jahresende und Jahresanfang hineinzuwachsen und dann endlich selbst bis in die Tiefe hinein ruhig zu werden, poltert schon wieder das Getriebe los, rollt an, startet durch und trifft in mir auf einen bereits entwöhnten, empfindlich bloßliegenden, aller Verhärtungen und Panzer entbehrenden Kern. Ich habe es natürlich falsch gemacht: Lieber jetzt Urlaub nehmen und diesem Fleißausbruch entkommen, als die ohnehin stillen Tage wandern gehen. Nie ist es angenehmer auf Straßen und in den Zügen als gerade zu diesen ruhigen Zeiten. Sofern „angenehm“ im Zusammenhang mit „Straßen“ und „Zügen“ überhaupt ein sinnvoller Terminus ist. Die einzige Zeit, in der es in den Menschenpferchen, die man „Städte“ nennt, erträglich ist, ist Sonntags zwischen 5 und halb acht. Sagen wir also: Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag ist es nicht ganz so schlimm. Ausnahmen sind die geradezu absurden Menschenmassen, die am Silvestervormittag in die Supermärkte einfallen und Waren an sich raffen in Quantitäten, als gehe anderntags die Zivilisation unter. (Was angesichts der Mengen an Explosivstoffen, die da erworben werden, manchmal gar nicht so unwahrscheinlich scheint.)
Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie eine Welt aussehen könnte, in der Ruhe herrscht, eine sanfte, feierliche Ruhe, ein Leuchten in der Luft, ein Glanz auf den Dingen, wie ein gelöstes, nach Innen gerichtetes, dem Geheimnis zugewandtes Lächeln.





VOCES INTIMAE

... for we have some flax-golden tales to spin. come in! come in!

Kommt herein, hier sind auch Götter ...

Epistolae electronicae:

talapenthea_thymon ad hotmail punctum com

Spurensucher

 

Web Counter-Modul


Marbach

Dieses Weblog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

Metron ariston

Pflichtnennung


Als wären nicht zweimal die Kräfte
An habent et somnia pondus
Astartes Lächeln
Colourless green ideas
Daß alles für Freuden erwacht
Dem geschah auch Lieb durch Liebe nie
Die Stadt am Ende des Jahrtausends
egregie dicta
Fasti
Flaschenpost
hemerolog
In Nemore
Logolog
Ludus Latinus
Mores Ferarum
Nicht mit gar zu fauler Zungen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development